VOL2008 Recent Comments Facebook 2008-11-27 20:58
Manfred Tinebor
Вологда-Онега-Ладога 2008
Vologda-Onega-Ladoga 2008
So weit die Füsse radeln...
Teil 1
Wo liegt Karelien?
Die Entscheidung, an einem Ultra-Radmarathon in Russland teilzunehmen,
treffe ich im November 2007. Ich entscheide mich für die 1200 km Route
„Vologda-Onega-Ladoga“. Organanisator der nach gleichen Regeln wie
„Paris-Brest-Paris“ zu radelnden Extremtour ist der Radsportklub BalticStar, Sankt
Petersburg. Der größte Teil der Strecke führt durch Karelien und soll um die
beiden größten europäischen Binnenseen Ladoga und Onega herumführen.
Ich brauche ein Lexikon und einen Atlas, um festzustellen, dass
Karelien eine Republik ist und an der östlichen Grenze von Finnland liegt. Es
reizt mich, mit der Extremtour einen Teil Europas kennenzulernen, der bei uns
im Westen fast unbeachtet und nicht bekannt ist.
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Manfred in St. Petersburg an der Auferstehungskirche
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Vorbereitungen
Ich beginne auch gleich mit den Vorbereitungen, für die sich
der Winter gut eignet: Ich lerne die kyrillische Schrift, um in Russland
zumindest Orts- und Hinweisschilder lesen zu können und übe einige russische
Wörter wie Höflichkeitsformeln, Zahlwörter oder die Frage nach dem Weg.
Zu den weiteren nichtsportlichen Vorbereitungen gehört die
Aufbereitung und Implementierung digitaler, russischer Strassenkarten in mein
GPS, die Beschaffung eines Einreisevisums für die russische Föderation, sowie
Flug- und Hotelbuchungen
Aufgrund meiner Erfahrungen mit Vibration und Erschütterung
bedingten Nackenproblemen bei „Paris-Brest-Paris“ baue ich eine gefederte
Vordergabel in meinen Carbon-Renner ein
Zur sportlichen Vorbereitung absolviere ich im Frühjahr
2008, wie im Jahr davor, die Super-Brevetserie 200km, 300km, 400km und 600km.
Sankt-Petersburg
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St. Petersburg, Dvorkovaya-Platz
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Am 30. Juni 2008 beginnt das Abenteuer. Ich fliege von Berlin nach
Sankt Petersburg. Meinen Renner transportiere ich im Radkoffer. In Sankt
Petersburg wohne ich mit den bayerischen Randonneuren Karl W., Karl M.,
Tom und Frank, dem Holländer Ivo und dem Belgier Antoon im gleichen Hotel.
Gemeinsam erkunden wir die Stadt mit Isaak-Kathedrale, der Festung „Peter und
Paul“, der Admiralität und dem Panzerkreuzer Aurora, der 1917 mit einem
Kanonenschuss die Oktoberrevolution auslöste.
Zur Fortbewegung in Sankt Petersburg benutzen wir ausnahmsweise
keine Fahrräder. Wir nehmen die Metro. Die Petersburger Metro ist die tiefste
U-Bahn der Welt. Der Höhenmesser meines GPS zeigt an, dass uns die endlos wirkende Rolltreppe
zur Metro in eine Tiefe von 72m unterhalb des Meeresspiegels befördert.
Karl W. wird leider Opfer eines dummen Unfalls. Er zieht
sich eine tiefe Schnittwunde der Wade zu und muss in ein Krankenhaus
eingeliefert werden. Für Karl W. ist es das Aus vom Traum Kareliens.
Sankt Petersburg beeindruckt mich. Wenn ich am Ufer der Neva stehe,
mit Blick auf die Zugbrücken und die Silhouette der Stadt, kann ich fast
glauben, ich stehe in London an der Themse. Die Hauptstraße Newski-Prospekt
dagegen erinnert mit Weitläufigkeit, historischen Gebäuden und Denkmälern an
die Champs-Élysées in Paris. Ich erlebe Petersburg als eine westliche Weltstadt
mit westlichem Niveau. Westlich sind auch Waren, Mode und Autos. MacDonalds ist
genauso vertreten wie Modegeschäfte vom Ostwestfalen Gerry Weber. Die große
Anzahl westlicher Nobelkarossen überrascht mich. Insbesondere scheinen die
Russen eine Vorliebe für deutsche Luxus-Geländewagen zu haben. Nie zuvor habe
ich so viele Porsche Cayenne und Audi Q7 auf einmal gesehen.
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Kreml Vologda
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Nachtzug nach Vologda
Startort des Radmarathons ist die russische Stadt Vologda.
Vologda liegt etwa 600km östlich von Sankt Petersburg.
Am Abend des 2. Juli nehmen wir den Nachtzug nach Vologda.
Ivo der Holländer, Antoon der Belgier, der dänische Liegeradfahrer Jan und ich
wollen soviel Russland wie möglich erleben. Wir haben deshalb die Schlafplätze
in der „Holzklasse“ des Zuges gebucht. Beim Einsteigen zeigt sich ein Problem.
Gänge und Schlafabteile des Zuges sind so eng, dass wir nirgendwo unsere
Fahrräder abstellen können. Das Schlafabteil besteht aus vier Liegen, jeweils
zwei übereinander angeordnete Liegen an jeder Seite. Über den Liegen ist
jeweils ein Gepäckfach. Die Gepäckfächer sind wesentlich zu klein für die
Fahrräder. Ivo hat die Idee: Wir demontieren die Vorderräder der Fahrräder und
heben die Fahrräder an die Decke des Abteils. Wir legen die Räder jeweils vom
Gepäckfach einer Seite zum Gepäckfach der gegenüberliegenden Seite. Ivo sollte
eine Verfahresanweisung für den Transport von Fahrrädern in russischen
Schlafabteilen schreiben!
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Auf dem Kreml in Vologda
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Antoon und ich teilen uns das Schlafabteil mit zwei
russischen Frauen. Eine der Frauen ist Studentin an der Uni Petersburg und kann
englisch und etwas deutsch. Die Unterhaltung mit den Frauen gestaltet die Fahrt
angenehm kurzweilig.
Vologda
In Vologda werden unsere Fahrräder in einem Sportheim
untergebracht. Mit dem Taxi fahren wir in unser Hotel. Vologda zeigt sich als
idyllische, saubere Kleinstadt. Der Stadtkern ist geprägt durch die malerischen
Brücken über den Fluss und durch die anmutigen Kirchen mit den eigentümlichen Zwiebeltürmen.
Am Abend des 3. Juli versammeln sich alle Teilnehmer des
Radmarathons im Foyer des Stadthotels. Der Präsident des Radsportklubs
BalticStar, Mikhail Kamentsev, erläutert die Strecke. Die Route führt von
Vologda zunächst nordwärts in die Republik Karelien, um den Onega-See herum,
bis zur karelischen Hauptstadt Petrosavozk, dann Richtung Südwest zum Ladogasee.
Am Ufer des Ladoga geht es nordwärts zum Ziel, Badeort und Hafenstadt
Sortavala. Für die gut 1.200km lange Strecke steht ein Zeitlimit von 90 Stunden
zur Verfügung. Zielschluss soll am 8.7.08 um 1:20Uhr sein. Auf der Strecke sind
14 Kontrollstellen anzufahren. Das „Roadbook“ für die Kontrollstempel,
Rahmenschild mit Startnummer für’s Fahrrad und die Wegbeschreibung mit
Beschreibung der Kontrollstellen werden übergeben. Die Versammlung gibt
Gelegenheit, die anderen Teilnehmer des Radmarathons kennen zu lernen.
Zu den |
48 Teilnehmern gehören: |
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30 |
Russen |
2 |
Ukrainer |
3 |
Österreicher |
1 |
Belgier |
1 |
Niederländer |
1 |
Israeli |
8 |
Deutsche |
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Aufstellung zum Starterfoto
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Am Morgen des 4. Juli holen wir unsere Fahrräder aus dem
Sportheim, füllen unsere Wasserflaschen und machen uns startklar. Langsam rollen
wir zum Startplatz, dem Kreml des Städtchens. Nach einem Gemeinschaftsfoto an
der Auferstehungskathedrale erfolgt zunächst der Vorstart in kleinen Gruppen.
An der Stadtgrenze findet dann der gemeinsame Hauptstart statt.
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En route
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En route
Die Sonne scheint und mit leichtem Gegenwind rollen wir nordwärts.
Die ersten 50 Kilometer bleibt das Feld bei moderater Geschwindigkeit ziemlich
geschlossen. Erst allmählich erhöht sich das Tempo an der Spitze des Feldes und
immer mehr Fahrer lassen sich zurückfallen. Ich fühle mich gut und mache die
Tempoerhöhung mit. Ich schliesse mich den beiden Österreichern Ferdinand und Gerold
an, die mächtig Dampf machen.
Nach 128 km erreichen wir mit etwa 4 Stunden Fahrtzeit die
erste Kontrollstelle Kirillov. Die Kontrollstelle befindet sich an den massigen
Mauern und stilvollen Türmen des aus dem 16. Jahrhundert stammendem Kirill-Beloserski-Klosters.
Schade dass der Radmarathon keine Zeit für eine Besichtigung lässt. Schnell
Eintrag ins Roadbook, Wasserflaschen füllen und weiter.
Das Wetter ist prima, ich fühle mich blendend und es macht
Spaß, mit den Österreichern Tempo zu bolzen. Die Straßen sind hier in recht
ordentlichem Zustand. Die wenigen Schlaglöcher lassen sich gut umfahren. Wir radeln
durch ländliche, bewaldete Landschaft, es herrscht wenig Verkehr. Die zweite
Kontrollstelle Lipin Bor befindet sich nach 201 km an einer Tankstelle. Die
Tankstelle wird nach 6 Stunden und 54 Minuten erreicht. Bis hierhin haben wir
trotz kräftigem Gegenwind einen Schnitt von fast 30 km/h erreicht. Ich bin mit
mir mehr als zufrieden. Ich esse drei Wurstbrote und fülle meine Flaschen. Die
Österreicher haben ein Begleitfahrzeug und werden von diesem versorgt. Um 14:40
Uhr verlasse ich die Kontrollstelle und setze die Fahrt gut gelaunt fort. Da
die Schlaglochdichte größer wird und ich in der Gruppe Windschatten fahrend die
Löchern immer wieder zu spät sehe, beschliesse ich, die Österreicher fahren zu
lassen. Allein radelnd kann ich den Löchern besser ausweichen.
Leistungstief?
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Avi in Kirillov
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Die Sonne scheint kräftig. Der Nachmittag wird über 30°C
warm. Der Straßenzustand wird schlechter, die Schlaglochdichte erhöht sich
weiter. Gelegentlich gibt es Stellen, an denen die größten Schlaglöcher frisch
ausgebessert waren. Diese sind deutlich an dem frischen Teer zu erkennen.
Ich werde immer langsamer. Ich habe dass Gefühl, dass mich
jemand hinten festhält. Mein Renner läuft zunehmend schwergängiger. Zuerst glaube
ich an ein Leistungstief, aber ich fühle mich noch gut. Dann bin ich überzeugt,
dass die Bremsen schleifen müssen. Ich nehme die Musikhörer aus den Ohren.
Tatsächlich höre ich Schleif ähnliche Geräusche. Ich halte an, um der Sache auf
den Grund zu gehen. Kaum steht mein Rad, sacken die Laufräder in den Teer der
Straße ein! Mein Fuß, mit dem ich mich abstützte sackt ebenfalls in die frisch
ausgebesserte Strassendecke ein. Vorsichtig stake ich mein Fahrrad schiebend
und ziehend von der Straße.
Was ist passiert? Die pralle Sonne hat den frischen Teer
aufgeweicht. Die Reifen meines Rades haben den Teer aufgenommen. Der Teer hat
die Reifen mit den Durchlaufstellen des Rahmens und den Bremzzangen völlig
verklebt.
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Aufgeweichter Teer
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Schlimmer als Hundekacke
Ich muss die Räder ausbauen und den Teer von den Reifen
kratzen. Mit meinem Schweizer Messer schabe ich den Teer aus den Durchlaufstellen
des Rahmens und aus den Bremszangen. Damit ich mit meinen Schuhen wieder in die
Klickpedalen rasten kann, muss ich auch diese vom gröbsten Teer befreien. Das
Zeug ist um Potenzen schlimmer als Hundekacke. Mein Schweizer Messer verklebt,
dass es sich nicht mehr zuklappen lässt. Ich hoffe, meine mit Teer
verschmutzten Hände kleben nicht am Lenker fest.
Ich gehe etwa 5 Kilometer neben der Straße zu Fuß, bis ich
meine, dass die frischen Teerflicken so weit auseinander sind, dass ich
zwischen diesen durchfahren kann. Ich täusche mich. Zweimal musse ich die
Prozedur mit dem Freischaben der Reifendurchlaufstellen wiederholen.
Die meisten anderen Fahrer haben mit dem aufgeweichten Teer
wenig Probleme und überholen mich, während ich neben der Straße zu Fuß gehe
oder schwarze Hundekacke kratze. Die Fahrer von Mountainbikes mit breiten
Strassenreifen haben offensichtlich überhaupt kein Problem. Ursache meiner
Schwierigkeiten sehe ich in dem engen Rahmen meines Renners. Eigentlich wollte
ich für Russlands Straßen 28er Reifenbreite fahren. Die 28er Reifen liefen
jedoch nicht durch den Rahmen. Ich wählte 25er, die so gerade eben durchlaufen.
An den engsten Stellen sind etwa 3mm Luft zwischen Reifen und Rahmen. Diese 3mm
sind leider schnell bremswirkend durch den schwarzen, klebrigen Teer gefüllt.
Durch den Klebe-Teer habe ich 2 ½ Stunden Zeit verloren. Wegen der hohen
Geschwindigkeit auf den ersten 200 km liege ich trotzdem nicht allzuviel hinter
meinem Zeitplan.
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Grillhütte Aleksandrovskuyu
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Pasta-Mahlzeit in Grillhütte
Nach etwa 12 ½ Stunden erreiche ich den 3. Kontrollpunkt Aleksandrovskuyu
bei km 306. Die Kontrolle befindet sich in einer Grillhütte. Meine
Kohlehydratspeicher fülle ich mit einer warmen Pasta-Mahlzeit auf. Die Mahlzeit
wird von Helfern per Fertiggericht und dem Aufguß mit Lagerfeuer erhitztem
Wasser hergestellt – es schmeckt.
Meine Flaschen fülle ich mit verdünnten Fruchtsäften wieder
auf. Gestärkt und gut gelaunt verlasse ich gegen 20:00 Uhr die Kontrollstelle.
Ich fahr allein, der Gegenwind hat etwas nachgelassen und
mein Renner läuft wieder, als wäre ein Motor eingebaut. Ich erreiche die
unscheinbare Grenze Kareliens. Nur ein großes Schild an der Straße teilt mit,
dass ich Russland verlasse und mich nun in der Republik Karelien befinde.
Ich pedaliere durch schier endlose Fichtenwälder. Nach 398
km erreiche ich gegen 22:30 Uhr die Kontrollstelle 4 „Saminskij pogost“. Für
die 92 km seit der Kontrollstelle 3 hatte ich nur 2 ½ Stunden gebraucht. Mein
Renner hat die Strecke zwischen den Kontrollstellen mit 36 km/h zurückgelegt.
Auf einer Wiese neben der hölzernen Dorfkirche sind ein paar Schlafzelte
aufgebaut. Noch fühle ich mich zu wach zum Schlafen. Nach etwas Getreidebrei
und Kaffee schwinge ich mich wieder auf meinen Renner.
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Nordrussische Landschaft um Mitternacht
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Farbenspiel
Ich genieße das Radeln durch die wechselnden Farben des
langen Sonnenuntergangs. Das Glühen des Himmels wechselt von gelb über orange
nach purpurrot. Dann werden Wälder und Seen in ein phantastisches lila Licht
getaucht. Mein MP3-Player ist ausgeschaltet und ich höre nur das leichte Säuseln
des Windes in den Bäumen und das gleichförmige Surren meiner Reifen auf dem
rauhen Asphalt. Peng! Es knallt in der Stille und mein Hinterreifen ist platt. Das
leuchtende Farbenspiel hat mich so fasziniert, dass ich ein fast
badewannentiefes Schlagloch übersehen habe. Der Reifen ist bis auf die Felge
durchgeschlagen und hat den Schlauch durchstoßen. Kaum bin ich vom Rad
abgestiegen, umschwärmen mich unzählige Mücken. Ich schlage wie wild um mich
und kann trotzdem nicht verhindern, dass ich fortwährend gestochen werde. Um
mich schlagend, baue ich das Hinterrad aus. Obwohl es Mitternacht ist, spendet
der lila glühende Horizont genug Licht zum Schlauchwechsel. Die Taschenlampe
kann im Rucksack bleiben. Ich versuche die Reparaturarbeiten möglichst
einhändig auszuführen. Die andere Hand brauche ich zum Mückenschlagen. Für das
Luftpumpen benötige ich beide Hände, welches die Mücken sarkastisch ausnutzen. Nach
meiner Zwangspause steige ich völlig zerstochen wieder auf meinen Renner. Meine
juckende Haut kratzend radele ich freihändig langsam weiter. Der Sonnenuntergang
wechselt ohne Übergang in den Sonnenaufgang. Bei kühlem Morgenlicht erreiche ich
gegen 4:30 Uhr frierend und zerstochen die Kontrolle 5 in der Dorfschule von
Pudozh. In der Schule ist es gemütlich warm. Zu gemütlich. Ich werde müde und
kann mich während der warm servierten Mahlzeit kaum wach halten. Im Klassenraum
der dritten Klasse finde ich eine freie Matraze. Ich schaffe knapp meine Schuhe
auszuziehen, bevor ich fest einschlafe. Nach vier Stunden wache ich auf. Eine
Tasse Kaffee, meine Wasserflaschen gefüllt und dankend verabschiedend steige ich
steif auf mein Carbonross.
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Typische Schlaglochpiste
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Schlaglochpisten
Es dauert eine Weile, bis ich mich wohl fühle. Gerade als
die Kurbeln mit rundem Tritt drehen wollten, fängt es an zu regnen. Ich halte
an, krame meine Regenjacke aus dem Rucksack und setze die Fahrt bei nun
strömendem Regen fort. Die Schlaglöcher der Strasse sind schnell mit
Regenwasser gefüllt und stellen nun ein größeres Problem dar. Mit Wasser
gefüllt ist nicht mehr erkennbar, ob eine Wasserpfütze 2 cm oder 20 cm tief
ist. Mit gedrosseltem Tempo umkurve ich die Pfützen in Schlangenlinien. In der
Ferne erkenne ich einen langsam größer werdenden Punkt. Ich hole den dänischen
Liegeradler Jan ein. Ich staune, dass es überhaupt möglich ist, mit dem
Liegerad derartige Schlaglochpisten zu befahren. Ich stelle mir vor, dass für
ihn die Reise zu Ende sein wird, wenn das kleine 20"-Vorderrad seines Liegers in
einem tiefem Strassenkrater vollständig eintaucht und stecken bleibt. Gemeinsam
erreichen wir nach 518 km um 11:15 Uhr das Kinderferienlager Peschanoe am
Onega-See. Es regnet nicht mehr. Die Einfahrt zur Kontrollstelle 6 ist
unübersehbar mit bunten Luftballons geschmückt. In einer hellblauen Holzhütte
wird uns eine warme Suppe gekocht. Der Tisch ist gedeckt und bietet Brot, Käse
und Wurst am Stück . Während ich nach dem Essen Kaffee trinkend sitzen bleibe, trifft
Frank ein. Gegen 12:30 Uhr kommen weitere Radler in der Kontrollstelle an und
ich mache mich auf den Weg, bevor es in der kleinen Hütte zu eng wird.
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Manfred & Jan in Pestnachoe
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Bei Sonnenschein stämme ich mich gegen den starken Wind am Onega-See nordwärts entlang. Der Liegeradler Jan ist aerodynamischer und
kommt hier leichter voran. Leider bietet er nicht die Möglichkeit des
abwechselnden Windschattenfahrens. Schade, dass der Onega-See wegen der
Bewaldung nur selten zu sehen ist. Dafür bremst der Wald an einzelnen
Steckenabschnitten die Wucht des Gegenwindes ein bisschen.
Einige Kilometer vor der Kontrolle 7 endet die befestigte
Straßendecke. Schritttempo fahrend versuche ich mit der dünnen Rennradbereifung
auf der Schotter- und Sandpiste in der Spur zu bleiben. Um 15:00 Uhr erreiche
ich die Dorfschule in Chyolmuzhi. Eintrag ins Roadbook, Wasserflaschen gefüllt,
ein kleiner Imbiss und um 15:20 Uhr bin ich wieder auf der Schotter- und
Sandpiste. Nach Erreichen befestigter Straße kann ich wieder Tempo aufnehmen.
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Holzkirche Povenec
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Belomor-Baltik-Kanal
Gegen 18:00 Uhr erreiche ich den Belomor-Baltik-Kanal. Der Kanal
ist Teil der Wasserstraße von der Ostsee zum Weissen Meer. Ich halte an und
mache einige Fotos von der Schleusenanlage, die für die Schiffe den
Höhenunterschied vom Kanal in den Onega-See ausgleicht. Während ich dort stehe
und dem Schleusenbetrieb zuschaue, kommt ein uniformierter Mann im Befehlston
redend auf mich zu und wedelt mit seinem Schlagstock gegen meine Kamera. Der
Adrenalinschub in meinem Körper lässt meinen Pulsmesser piepsen. Zunächst
verstehe ich kein Wort und zucke mit den Schultern. Dann wird mir klar, dass
hier offensichtlich fotografieren nicht erlaubt ist. Der Uniformierte zeigt auf
ein entsprechendes Verbotsschild an der Schleuse. Der Kanal hat gewiss militärisch
strategische Bedeutung und dient der Flottenverlegung. Ich entschuldige mich
verbeugend und bin froh, dass mir meine Kamera nicht abgenommen wird. Erlöst
radel ich weiter und erreiche am Ortseingang von Povenec ein Denkmal mit einer
riesigen Kanone. Ich schaue mich mehrmals um, bevor ich mich traue meine Kamera
herauszuholen. Während ich fotografiere entdecke ich einige hundert Meter von
der Straße entfernt eine imposante Holzkirche. Ich verlasse die Straße und
fahre auf einem Sandweg zur Kirche. Während ich mir die faszinierende,
gepflegte Kirche fotografierend anschaue, nähern sich auf dem Sandweg zwei
russische Radler. Valentin und Sergej haben die Route zwecks
Kirchenbesichtigung ebenfalls verlassen. Sergej informiert mich auf englisch über
die Historie: In den Jahren 1930-1933 ließ Stalin den Belomor-Baltik-Kanal von
350.000 Zwangsarbeitern und Häftlingen erbauen. Die Kirche wurde zum Gedenken
an die mehr als 100.000 Menschen errichtet, die während des Kanalbaus den Tod
fanden.

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Kontrollstelle am Onega-See
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Nach kurzer Pause und Ölen meiner Kette biege ich kurz nach
den russischen Radlern vom Sandweg auf die Straße nach Medvezhyegorsk ein. Um
19:40 erreiche ich die Stadt. An einem Kiosk kaufe ich mir ein paar Leckerli
zum Naschen. Gegen 20 Uhr biege ich den Abstecher zum Kontrollpunkt 8 ab. Die
Hügel mit kurzen, knackigen Anstiegen auf dem 25 km-Abstecher bieten etwas
Abwechslung von der sonst flachen bis sanftwelligen Route durch Karelien.
Lagerfeuer am Onega-See
Um 21:20 Uhr erreiche ich nach 682 km die Kontrolle 8 an einem Lagerfeuer auf dem Strand des
Onega-Sees. Das Feuer hält die Mücken auf Distanz und verbreitet angenehme
Wärme. Ich suche mir einen wärmenden Platz, bekomme dicke Nudellsuppe mit
Fleischeinlage serviert und esse mit großem Appetit. Die Hälfte der Route ist
nun geschafft, ich liege gut in meinem Zeitplan, ich fühle mich wohl und habe
einen berauschenden Blick auf den abendlichen See. Die Stimmung zwischen
Helfern und Radlern ist freundlich, fast familiär. Stundenlang könnte ich hier
sitzen bleiben und die Atmosphäre geniessen. Gegen 23:00 Uhr entschliesse ich
mich, nicht hier in den Zelten zu übernachten, sondern wie geplant weiterzufahren.
Es fällt mir schwer, mich zu verabschieden und wieder aufs Fahrrad zu setzen.
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Lagerfeuer am Onega-See
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Ich radle den hügligen Abstecher zurück nach Medvezhyegorsk.
Einige Radler kommen mir grüßend entgegen. Die Stadt erreiche ich um
Mitternacht mit rumorendem und drückendem Darm. Ich finde eine offene Tanke mit
Plumpsklo. Mit 1 Kilo reduziertem Gesamtgewicht biege ich eine
Viertelstunde später auf die Strasse nach Girvas ab. Die Straßendecke ist hier
in gutem Zustand und ich komme zügig voran. Ich lege meine Unterarme lang auf
den Lenker, rutsche mit dem Hintern auf die Sattelspitze und gebe meinem Carbon-Ross
die Sporen. Ich durchreite flaches Marschland. Die Sonne taucht nicht
vollständig hinter dem Nachthorizont ab. Der glühende Horizont spiegelt sich in
den zahlreichen kleinen und größeren Seen. Zwischen den Seen rauschen
Birkenwälder an mir vorbei. Der Wind hat nachgelassen, die Luft ist klar,
Sauerstoff satt.
„Eiserne Straßensperre“
Mein GPS zeigt eine Geschwindigkeit von mehr als 40km/h und
mein Pulsmesser meldet dennoch aeroben Pulsbereich. Träume ich? Ich reite über
eine Flussbrücke. Plötzlich knallt es mit gewaltigem Stoß. Ich gerate ins
Schlingern und habe Mühe, ohne Sturz in den Stillstand zu kommen. Mein
Hinterrad ist wieder platt. Ich endecke eine Delle in der Bremsflanke der
Hinterradfelge. Ich lege mein Rad in den Straßenrand und gehe zurück um zu
schauen, was mich gewaltsam gestoppt hat: Die Brückendecke ist einige cm tiefer
als die Straßendecke. Den Übergang von der Brückendecke auf die Straßendecke
bildet eine Eisenkante. In der Fahrbahnmitte ist die Kante etwa 2-3 cm hoch. Am
von mir befahrenen Randstreifen hat die Eisenkante eine Höhe von 8-10 cm. Das
gefederte Vorderrad hat die Kante schadlos überfahren. Der Reifen des
Hinterrades ist an der 10cm hohen Eisenkante bis auf die Bremsflanke
durchgeschlagen. Mit dem Dosenöffner meines Schweizer Messers versuche ich die
Delle der Bremsflanke zu richten. Es gelingt mir nicht ganz. Mir wird kalt. Die
Finger werden steif. Die Temperaturanzeige des Pulsmessers zeigt 2°C.
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Schlafen in der Turnhalle Girvas
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Mit dem Messer schabe ich den verbleibenden Rest der Delle soweit ab, dass die Felge
einigermaßen rubbelarm durch die Bremse läuft. Aus den Seen steigt kalter
Nebel. Die Lichtfarbe ändert sich. War eben der Horizont noch dunkelorange, so
ist jetzt die Lichtfarbe grauweiß. Der vom Horizont beleuchtete Nebel taucht Seen
und Wälder in diffuses, weißes, kaltes Licht. Alle warmen Farben sind
verschwunden. Plötzlich ist mir klar, was mit der Bezeichnung „weiße karelische
Nächte“ gemeint ist. Der Schlauch zeigt den typischen Schlangenbiss und auch
die Reifendecke ist leicht beschädigt. Sicherheitshalber klebe ich mit vor
Kälte zitternden Händen einen dicken Flicken von innen an die beschädigte
Stelle der Decke. Der kalte Nebel kriecht durch die Kleidung. Selbst beim
Aufpumpen des neuen Schlauches wird mir nicht warm. Ich schaue auf die Uhr. Es
ist 2:30 Uhr. Die Panne hat mir fast eine Stunde Aufenthalt beschert.
Um 4:30 Uhr erreiche ich nach nun 784 km durchgefroren die Kontrollstelle 9 in der
Dorfschule von Girvas. Einen Teller warme Nudeln und mit Behagen schlüpfe ich
in der Turnhalle unter eine wärmende Decke. Ich schlafe sofort ein. Die
Weckfunktion meines GPS hatte ich auf 9:00 Uhr gestellt. Bevor der Wecker aktiv
wird, wache ich von selbst auf. Nach einem ausgiebigen Frühstück verlasse ich
gestärkt die gastliche Schule. Die Sonne strahlt. Es wird wieder eine schöner
Tag werden. Von Kindern bewinkt radele ich aus dem Dorf. Ich bin gut in meinem
Zeitplan und gut gelaunt.
2008-11-29
Manfred Tinebor
Вологда-Онега-Ладога 2008
Vologda-Onega-Ladoga 2008
So weit die Füsse radeln...
Teil 2
Demut gegenüber den Mücken
Ich rolle die Straße in Richtung der karelischen Hauptstadt
Petrozavodsk. Die Straßendecke zeigt wechselnde Beschaffenheit. Obwohl ich
höllisch aufpasse, in kein tiefes Schlagloch zu geraten, kostet eine kurze
Ablenkung den dritten Plattfuss. Es ist wieder das Hinterrad.

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Giftiges Schlagloch
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Kaum stehe ich, machen sich wieder Mücken in Bataillonsstärke über mich her. Ich werde
ärgerlich und versuche wieder um mich schlagend die Angriffe abzuwehren, Dann
erinnere ich mich, dass das Herumschlagen schon gestern völlig sinnlos war –
ich wurde trotz heftiger Abwehr völlig zerstochen. Also beschliesse ich, mich
nicht über Dinge zu ärgern, die ich nicht ändern kann und stelle meine
sinnlosen Abwehrversuche ein. Mein Arger klingt ab und für die Reparatur habe
ich wieder beide Hände frei. Ich benötige meinen letzten Schlauch. Plötzlich
merke ich, dass mir die Mückenstiche nichts mehr ausmachen. Auch als ich
wieder auf dem Rad sitze und meine Route fortsetze, stelle ich keinen Juckreiz
der Stichstellen fest. Ich brauche mich nicht kratzen und die Hautstellen röten
sich nicht wie gestern. Anscheinend hat meine Demut gegenüber den Mücken auch meine
Haut veranlasst ihre heftige Abwehrreaktion einzustellen :-)
In der Vormittagssonne erreiche ich Shuya, eine Vorstadt von
Petrozavodsk. Wie ich mich an die Streckenerläuterung in Vologda, am Abend vor
dem Start, erinnere, ist die Kontrolle in Shuya gegenüber der ursprünglichen
Streckenbeschreibung verlegt worden. Vom ursprünglichen Kontrollpunkt sollen
Hinweisschilder zum neuen Kontrollpunkt führen. Zumindest hatte ich das so
verstanden. Als ich den ursprünglichen Kontrollpunkt erreiche, sehe ich keine
Hinweisschilder. In meinem GPS ist der neue Kontrollpunkt nicht gespeichert. Ich
fahre die Gegend mit den umliegenden Straßen ab – nichts – kein Hinweisschild,
keine Kontrolle ist zu sehen. Bin ich vielleicht auf dem Weg zur ursprünglichen
Kontrollstelle an Hinweisschildern vorbeigefahren und habe diese übersehen? Ich
fahre ca. 15km auf dem Weg zurück, den ich gekommen bin, kehre um und steuere den
ursprünglichen Kontrollpunkt, aufmerksam nach Hinweisschildern Ausschau
haltend, erneut an. Wieder finde ich nichts. Was tun? Ich halte unschlüssig an
und krame mein Roadbook aus dem Rucksack. Vielleicht ist im Roadbook der Strassenname
der neuen Kontrolle eingetragen. Tatsächlich, ich habe Glück: die Kontrolle
soll in der Novaya Vilga sein.
Wo ist die Strasse „Novaya Vilga"?

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Dorf in Karelien
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Ich kurve durch die Stadt und suche die Novaya Vilga -
ergebnislos. Die Sonne brennt, ich schwitze, meine Wasserflaschen sind leer.
Obwohl ich an mehreren Geschäften vorbeikomme, kaufe ich mir nichts zu trinken.
Ich hoffe jeden Moment die Kontrollstelle zu finden und dort meine Flaschen zu
füllen. Ich frage einige Passanten nach der Strasse „Novaya Vilga“. Entweder
verstehen mich die Leute nicht oder Sie kennen die Strasse nicht. Ich komme zu
der Überzeugung, dass es sich um eine sehr kleine Strasse handeln muss. Die
Hauptstrassen müssten den Leuten doch namentlich bekannt sein. An einer Brücke
über den Fluss Shuya sehe ich einen gut besuchten Basar und Markt. Ich halte
an, stelle mein Fahrrad ab und schlendere, mehrfach nach meiner Strasse fragend,
über den Markt. Obwohl mehrere Leute sich bemühen, mir zu helfen, komme ich
nicht weiter mit meiner Suche. Ich setze mich zu einer musizierenden
Trachtengruppe. Es ist ein schöner Marktplatz. In der Hitze weht etwas Kühlung vom
Flussufer herrüber. Wären meine Gedanken nicht mit dem Auffinden der
Kontrollstelle befasst, hätte ich sicherlich mit Genuss der karelischen
Volksmusik zugehört. Mir fällt ein, dass ich eine Telefonnummer vom Vereins-Präsidenten
Mikhail habe. Ich will ihn mit Handy anrufen und den Weg zur Kontrollstelle
erfragen. Nach Eingabe der Vorwahlnummer meldet sich eine Automatenstimme. Ich
enträtsle „Der Service steht nicht zur Verfügung“. Ich kann hier von Karelien
aus nach Deutschland telefonieren aber offensichtlich nicht nach Russland.

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Landschaft Karelien
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Also weitersuchen, vom Rumsitzen werde ich die Kontrolle nicht finden. Ich radle die
Straßen am Ortsausgang ab. Dann fahre ich etwa 10km aus der Stadt heraus in
Richtung der weiteren Route – keine Kontrollstelle zu finden.
Ich entscheide, die Suche nach der Kontrollstelle in Shuya aufzugeben.
Ich beschliesse in die Stadt zurückzufahren und mir von irgendeinem Geschäft einen
Beweis-Stempel in mein Roadbook drücken zu lassen. Ich nehme mir vor, Getränke
zu kaufen und die Route zur nächste Kontrollstelle weiterzuradeln.
Im Geschäft sind keine Kunden. Die junge Verkäuferin spricht etwas englisch und scheint
Radsport interessiert. Wissbegierig lässt sie sich von mir über den Radmarathon, die Strecke
und die Kontrollen informieren. Als Sie einen Stempel in mein Roadbook drücken
will, stutzt Sie. Sie liest „Novaya Vilga“ und erklärt mir, dass „Novaya Vilga“
keine Strasse sondern ein kleiner Ort ist. Sie habe als Kind in Novaya Vilga
gewohnt und sei dort zur Schule gegangen. Die Kontrollstelle ist nicht in Shuya
sondern im Ort Novaya Vilga! Hilfsbereit versuchte das nette Mädel mir den Weg
im Mischmasch von englisch und russisch zu erklären. Ich verstand nicht alles. Aber ich weiss nun, dass es in Richtung
der weiteren Route liegt. Mit Dankrufen schwinge ich mich verabschiedend auf den
Sattel und reite zuversichtlich aus der Stadt. Ich schwitze stark auf der
heissen Strasse und werde durstiger. In der Aufregung, die Kontrollstelle doch
noch finden zu können, hatte ich die gekauften Getränke im Geschäft stehen
lassen. Noch einmal wollte ich nicht umkehren. Etwa 20 Kilometer ausserhalb von
Shuya war die Straße nagelneu und breit ausgebaut. Sie führt auf eine riesige
Autobahn ähnliche Kreuzung. Das Autobahnkreuz war gut beschildert. Auf den Schildern
standen eine Menge russische und karelische Städte, aber kein Ort „Novaya
Vilga“. Ich bog über die Rampen des Autobahnkreuzes in die vermeintlich
richtige Autobahn ein. Mein GPS meldete „out of road“. Das Autobahnkreuz und
die Autobahn ähnliche Straße waren so neu, dass mein GPS sie nicht kannte. Nach
weiteren 10 km merke ich, dass die schöne breite Strasse immer stärker eine
falsche Richtung einnahm. Ich vermute, dass ich auf der falschen Strasse bin
und kehre um. Auf der Gegenfahrbahn sehe ich nun in der Ferne einen Radler auf
mich zukommen. Als er näher kommt erkenne ich den Russen Valentin. Valentin ist
sich ebenfalls nicht sicher, ob er auf der richtigen Strasse ist, aber möchte
die Richtung weiterfahren. Ich kehre wieder um und schliesse mich ihm an. Nach
einigen weiteren km erkennt auch Valentin, dass die Strasse immer mehr in eine
falsche Richtung biegt. Wir halten an. Valentin erreicht Mikhail mit seinem
Handy und läßt sich von ihm den Weg nach Novaya Vilga erklären. Wir müssen
zurück zum Autobahnkreuz und hinter dem Kreuz auf eine kleinere Strasse
abbiegen.

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Claus & Peter in Novaya Vilga
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Durst
Inzwischen bin ich völlig ausgetrocknet und will Valentin um
einen Schluck Wasser bitten. Ich erkenne, dass Valentins Flaschen auch leer
sind. Valentin legt trotz der Hitze ein hohes Tempo vor. Ich schaffe es kaum,
in seinem Windschatten mitzukommen. Meine Augen brennen vom Salz des Schweisses
und ich bekomme Schwindelattacken. Ich fahre am Limit. Nach einigen km kann ich
nicht mehr mithalten. Da ich befürchte, allein die Kontrollstelle nicht zu
finden, bitte ich Valentin langsamer zu fahren. Er erkennt, wie es mir geht
und drosselt hilfsbereit sein Tempo. Gegen 16:00 Uhr erreiche ich dank
Valentins Windschatten (Большое спасибо Валентин!) nach 880km die Kontrolle 10 in Novaya Vilga. Beim
Absteigen falle ich fast vom Fahrrad. Ich fühle mich total ausgepowert. Auf der
Suche der Kontrollstelle bin ich mehr als fünf Stunden umhergeirrt. Ich bin unzufrieden,
dass ich auf der Routenbesprechung nicht besser aufgepasst hatte.
Nach einigen Gläsern Wasser und drei Tellern salziger Suppe geht
es mir besser. Ich ziehe Bilanz : ich habe noch etwa 340 km vor mir und noch 35
Stunden bis zum Zeitlimit – also: Zeit satt. Ich habe keine Sitzprobleme, kein
Kribbeln in den Händen und kein Problem mit meinem erschütterungsempfindlichen
Nacken. Mein Ärger über die fünf Stunden Verlust legt sich und mit der Rückkehr
der guten Laune kehren die Körperkräfte zurück.
Noch einen Teller Kohlsuppe mit Getreide, die Flaschen
gefüllt und ich bin wieder auf der Straße. Mein Rennrad läuft wieder von alleine.
Ich mache mich lang und der Carbonrenner macht Tempo.

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Unbefahrbare Schotterpiste
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Unbefahrbare Schotterpiste
Plötzlich endet die Straße in einer riesigen Baustelle. Eine
provisorische einspurige Fahrbahn mit etwa 5-10cm dicken, spitzen Schotterbruchsteinen
bereiten einen Weg, den Kraftfahrzeuge im Schrittempo fahren können. Mit meinem
Rennrad ist das Befahren fast unmöglich. Außerdem habe ich Angst, dass der
extrem grobe Schotter meinem lädierten Hinterrad den Rest gibt. Also absteigen
und zu Fuß weiter. Es ist staubig und heiss. Es gibt keinen Randstreifen auf
dem ich gehen könnte. rechts und links der Schottertrasse beginnt direkt
dichter Fichtenwald. Nach einigen Kilometern unsicherem Tapsen auf den
kippligen Schottersteinen zeigt die Karte auf meinem GPS einen Parallelweg am
Ufer des Sees Pryazhinskoe entlang. Der Parallelweg verläuft etwa 30km Parallel
in einem Abstand von 10km zur vorgeschriebenen Route. Darf ich die Route
verlassen und den offensichtlich befahrbaren Uferweg benutzen? Ich will keine
Disqualifizierung riskieren und bleibe zu Fuß tapsend auf dem Schotterweg. In
der Baustelle bilden sich lange Autoschlangen – stop and go. Die Autos kommen
auch nicht schneller voran als ich. Einen Lexus-Geländewagen mit winkenden
Kindern auf der Rückbank überhole ich nun schon zum dritten Mal zu Fuß. Nach
etwa drei Stunden Fußweg beginnt eine nigelnagelneue Strasse. Es ist nicht mehr
so heiss und die Sonne steht schon tief über den Baumwipfeln. Genau die
richtige Temperatur zum Tempo bolzen. Die Straße scheint gar keinen
Rollwiderstand zu haben und glatt zu sein, wie die Holzbahn beim
Sechstagerennen – phantastisch. Das GPS meldet 42km/h. Ich muss mich dämpfen um
nicht euphorisch zu werden. Der Lexus-Geländewagen überholt mich, drosselt die
Geschwindigkeit und fährt in gleichem Tempo vor mir her. Die Kinder hüpfen auf
der Sitzbank und winken lachend. Ich winke zurück und bin glücklich.

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Trockenfisch-Verkauf in Karelien
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Trockenfische
Rechts und links der gut ausgebauten Straße öffnet sich
gelegentlich der Wald und gibt die Sicht auf einen der zahlreichen tiefblauen Seen
frei. An einigen Seen gibt es kleine aus wenigen Holzhäusern bestehende Dörfer.
An der Strasse, auf freier Strecke, bieten Fischerfrauen an Holzlatten
aufgehängte, getrocknete Fische zum Kauf an. Ich halte an, frage ob ich
fotografieren darf. Die Frauen nennen mir die Preise. Ich schüttele den Kopf.
Ich will nichts kaufen, da ich nicht weiss, wie man getrockneten Fisch isst.
Die Frauen interpretieren mein Kopfschütteln als Handelsgeste und bieten
günstigere Preise.
In guter Stimmung erreiche ich um 21:30 Uhr nach 980 km die
Schule in Kotkozero. Der Stempel wird ins Roadbook auf den Platz von Kontrollpunkt
11 gedrückt. Es gibt zwei verschiedene warme Mahlzeiten zum Abendessen. Ich
kann mich nicht entscheiden und nehme beide. Während ich nach den Essen Saft
trinkend sitze bleibe, treffen Valentin und Sergej ein. Sergej hat sich
unterwegs einen großen Beutel voll Trockenfische gekauft und bietet mir einen
Fisch an. Nachdem ich ihm erklärt habe, dass ich nicht weiss, wie man die Teile isst,
werde ich eingewiesen: Der Fisch wird an den Tisch geschlagen, bis die Haut
abziebar ist. Dann wird er mit den Händen gebogen und gewalkt, bis sich
knackend etwa Kartoffelchip ähnliche Teile auslösen lassen. Ich probiere. Die
abglösten Teile sehen nicht nur so aus wie Kartoffelchips, sie schmecken auch
fast ähnlich – salzig und würzig, gar nicht fischig. Also wenn ich den Geschmack
eher gekannt hätte, dann hätte ich mir auch einen Beutel voll Fische gekauft.
Sergej erzählt, dass er Trockenfisch gern zum Bier knabbert.
Das fast pure Eiweiß sei nach dem Radtraining besser für die Muskelregeneration
geeignet statt fettiger Kohlenhydrate von Kartoffelchips. Ich stimme ihm zu.
Warum gibt es bei uns in Deutschland keinen Trockenfisch?

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Karelische Straße
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Es ist nun 22:30 Uhr. Die anderen Fahrer im Kontrollpunkt
wollen hier übernachten. Mir ist nicht nach schlafen und ich beschliesse noch
90 km bis Vidlitsa zu radeln. Ich rechne damit, gegen 2:30 Uhr in Vidlitsa
einzutreffen und plane dort bis zum Morgen zu schlafen. Ich finde niemanden, der
mich auf der Nachtfahrt nach Vidlitsa begleiten will. So starte ich allein.
Zunächst fühle ich mich wohl. Der MP3-Player spielt meine Lieblingssongs. Dann
wird mir kalt. Ich halte mehrmals an und ziehe nach und nach alle
Kleidungsstücke übereinander an, die ich in meinem Rucksack mitführe. Ich
durchfahre die beleuchtete Stadt Olonets. Da ich friere habe ich nicht viel
Blicke für die Stadt übrig. An einer Kreuzung in Olonets sehe ich dann dass
erstemal ein Straßenschild das zum Zielort hinweist --> Sortavala 196km. Der
Gedanke, dass die Distanz zum Ziel nun kürzer als ein RTF-Marathon geworden ist,
hebt meine Laune etwas. Ich biege die Strasse nach Norden ab.
Schlafattacken

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Ladoga-See
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Die Straßendecke ist in schlechtem Zustand. 30km hinter
Olonets, mitten in der Wildnis, durchschlägt ein übersehenes Schlagloch wieder
den Schlauch meines Hinterrades. Verflixt, ich hab keinen Schlauch mehr. Ich
hatte vergessen, an der letzten Kontrollstelle nach einem Schlauch zu fragen.
Nun muss ich flicken. Gut dass ich die durchgeschlagenen Schläuche nicht weg
geworfen habe. Es ist ausreichend hell um den Schlauch mit den kleinsten
Durchschlaglöchern auszusuchen und steif gefroren Fingern zitternd zu flicken. Unvorbereitet
werde ich schlagartig von Müdigkeit attackiert. Ich kann mich kaum wach halten.
Zittern und Schlafattacken übermannen mich gleichzeitig. Meine Hoffnung, dass
ich wieder wach werde, wenn ich auf dem Sattel sitze und die Pulsfrequenz
ansteigt, erfüllt sich nicht. Ich ertappe mich mehrmals dabei, dass ich mich
nach Augenaufschlag gefährlich dicht am Randstreifen der Fahrbahn befinde. Ich
versuche krampfartig zu verhindern Schlangenlinie zu fahren. Es gelingt mir
nicht. Als ich das Hinweisschild zu einem Parkplatz sehe, biege ich den kurzen
Waldweg zum Parkplatz ab. Im nächtlichen Schatten der Bäume sehe eine kleine
Grillhütte. Ich hole meine Aludecke aus dem Rucksack und lege mich auf eine
Bank der Hütte. Vor Kälte zitternd versuche ich das hochfrequente Summen der
Mücken unter der Decke zu ignorieren. Von einem Geräusch werde ich wach. Ich
schaue auf meine Uhr. Ich hatte etwa 1,5 Stunden geschlafen. Erstaunt stelle
ich fest, das die Aludecke meine Körperwärme gut bewahrt. Unter der Aludecke
friere ich nicht.

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Kontrolle Vidlitsa am Ladoga-See
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Braunbären, Wölfe?
Plötzlich höre ich eindeutig einen laut knackenden Ast. Jemand
oder etwas bewegt sich ganz in meiner Nähe. Mir fällt ein, dass es in Karelien
Braunbären, Wölfe und Luchse gibt. Ich lausche, ich höre nichts mehr, aber ich
kann nicht mehr einschlafen. Ich richte mich auf, schaue mich um und friere
wieder. Ich sehe nichts und niemanden. Aber an Schlaf ist nicht mehr zu denken.
Ich packe meine Aludecke in den Rucksack. Da ich so steif bin, dass ich Angst
habe, mit dem Fahrrad auf dem Waldweg zu stürzen, schiebe ich zur Strasse.
Auf der Strasse lässt sich das Fahrrad nur widerwillig in
Bewegung setzen. Die Pedalen laufen nicht rund. Ich quäle mich vorwärts. Auf
dem GPS-Bildschirm erkenne ich, dass sich links von mir der Ladoga-See
befindet. Ich biege auf einen Weg zum See ab, wo sich gemäß meinem GPS die
Kontrolle 12 befinden müsste. Ich erreiche den See , kann aber keine Kontrollstelle
entdecken. Ich fahre etwa 8km zurück, um zu schauen, ob ich eine Abzweigung
verpasst habe – nichts. Ich kehre um und fahre wieder in Routenrichtung.

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Toon, Pavel, Dimitriy, Andrew & Frank in Pitkyaranta
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Zelten am Ladoga-See
Gegen 4:00 Uhr sehe ich ein Lagerfeuer am Seeufer. Unter
Bäumen erkenne ich einige aufgestellte Zelte. Ich biege auf den Sandweg zu den
Zelten ab, bleibe mit dem Vorderrad im Sand stecken und stürze. Ich verstauche
mir die linke Hand. Dem Fahrrad passiert nichts. Ich schiebe meinen Renner zu
den Zelten. Müde, steif, frierend und mit verstauchter Hand erreiche ich die
Kontrollstelle 12 in der Nähe von Vidlitsa.
Während ich mich am Lagerfeuer aufwärme, wird mir von einem
netten Mädel eine Mahlzeit zubereitet. Beim Essen kann ich mich kaum wach
halten. Mir wird ein Schlafplatz in einem Zelt zugewiesen und ohne mich
richtig zuzudecken falle ich sofort in tiefen Schlaf. Gegen 7:00 Uhr wache ich
frierend auf. Auch eine Tasse heissen Tee wärmt mich nicht auf. Fröstelnd
schiebe ich mein Carbonross zur befestigten Strasse und setze meinen Ritt fort.
Wieder laufen die Pedalen nicht rund. Es wird hügelig. Mein Carbonross ist
nicht willig und ich muss es die Steigungen hinaufzwingen. Meine verstauchte
Hand schmerzt, ich fühle mich nicht wohl und bekomme Hunger. Ich bin heilfroh, als
ich gegen 12:00 Uhr die Ortstafel von Pitkyaranta erreiche. Hier in der Schule
befindet sich die letzte Kontrollstelle vor dem Ziel.
Der Essenstisch in der Schule ist reichlich gedeckt. Es gibt
Obst, Brot, Müsli, Milch, Fruchtsäfte und drei verschiedene warme Gerichte zur
Auswahl. Ich wähle alle drei! Nach dem Essen fühle ich mich wieder wohl. Wohlig
satt nicke ich auf dem Stuhl sitzend ein.

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Manfred erreicht Sortavala
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Euphorie
Gegen 14:30 starte ich zur letzten Etappe. Während ich in
der Schule war, hatte es geregnet. Ich habe nur noch eine 70 km hügelige
Strecke bis ins Ziel und etwa 10 Stunden bis zum Zeitlimit. Ich bin wieder gut
gelaunt und wegen des dicken Zeitpolsters ist meine Stimmung fast euphorisch. Ich
genieße die hügelige Landschaft, veranstalte ein Wettrennen mit freilaufenden
Rindern und habe Zeit, von der Route abzubiegen und mir Wasserfälle eines
Flusses anzuschauen. Gegen 17:30 erreiche ich die Hafenstadt Sortavala. Durch
den Ort radelnd halte ich Ausschau nach der Turnhalle, dem Ziel der 1.200 km
langen Tour. Ich durchradele den Ort, ohne die Turnhalle zu entdecken. Ich
drehe um und durchradele den Ort nochmals in entgegengesetzter Richtung. Wieder
sehe ich keine Turnhalle. Am Ortseingang begegnet mir der Israeli Avi.

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Peter & Frank glücklich im Ziel
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Ziel erreicht!
Nun suchen wir gemeinsam und entdecken an einem zerfallen
wirkendem Gebäude das Banner des Radsportvereins „Baltic Star“.
An dem zerfallen wirkendem Gebäude war ich zweimal vorbeigefahren,
ohne es als die gesuchte Turnhalle zu identifizieren. Von Innen war
die Turnhalle in erstaunlich gutem Zustand. Wir werden herzlich begrüßt.
Unseren Zielstempel um 18:01 Uhr bekommen wir erst nach der Einweisung in die zeremonielle
Trinkweise von Vodka.
Nach heisser Dusche und in sauberer Kleidung bin ich der
glücklichste Mensch der Welt: Ich habe mein mir gestecktes Ziel erreicht und
die 1.200 km lange Strecke in einer Gesamtzeit von 82 Stunden und 41 Minuten
zurückgelegt.
Besonderheiten:
Stark wechselnde Straßenbeschaffenheit. Zum Teil waren die
Strassen in derart katastrophalem Zustand, wie man ihn sicherlich in ganz Westeuropa nicht
findet:
- Schlaglochpisten mit Schlaglöchern "so groß wie Kinderbadewannen",
(Trotz 8 bar Reifendruck 4 Durchschläge des Hinterrades)
- unbefestigte Straßenabschnitte mit losem Sand, der mit Rennradbereifung
nicht befahrbar war.
- Schotterstrassen, die wegen sehr großer Schottersteine nicht
mit dem Rad befahrbar waren.
- Der Teer einiger Straßenabschnitte war in der Sonne so weich
geworden, dass dieser sich löste, an den Reifen haften blieb und die
schmalen Rennradreifen in den Belag einsackten.
Attacken agressiver Mücken, sobald das Fahrrad still stand.
Positive Eindrücke:
- Gute Organisation, gute (wenn auch ungewohnte) kohlenhydratreiche Verpflegung, zahlreiche
Schlafmöglichkeiten in Zelten oder Schulen.
- Die Kontrollstellen befanden sich großteils an
sehenswürdigen Orten oder waren Zelte mit Lagerfeuer am Seeufer.
- Freundliche freiwillige Helfer an den Kontrollstellen
erzeugten fast familiäre Atmosphäre.
- Freundschaftlicher Umgang aller Teilnehmer aus allen
Nationen.
- Sehr schöne Landschaft mit unzähligen Seen, endlosen
Birken- und Fichtenwäldern.
- Berauschendes nächtliches Farbenspiel der Natur. Der Sonnenuntergang
dauert stundenlang und geht direkt in den Sonnenaufgang über.
- Aus den Seen aufsteigender Nebel erzeugt nach Mitternacht ein diffuses Licht:
„Die weißen karelischen Nächte“.

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Manfred nach der Tour zufrieden in St. Petersburg
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33 Teilnehmer erreichten den Zielort.
Der Radsport-Club "BalticStar" beabsichtigt den Radmarathon „Vologda-Onega-Ladoga“ erneut zu veranstalten.
Ich werde wieder dabei sein :-))

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Manfred's Medaille
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Zu den Fotos des russisch-karelischen Abenteuers
2008-11-30 14:44
Вологда-Онега-Ладога 2008
По времени
|
Участник
|
Страна
|
1
|
Сахипов Харис
|
Russia
|
2
|
Dietz Norbert
|
Germany
|
3
|
Kurzke-Graupp Joerg
|
Germany
|
4
|
Richter Michael
|
Germany
|
5
|
Jung Ferdinand
|
Austria
|
6
|
Makipaa Mikko
|
Finland
|
7
|
Швак Игорь
|
Ukraine
|
8
|
Беляев Сергей
|
Russia
|
9
|
Greuvers Tom
|
Germany
|
10
|
Meixensberger Karl
|
Germany
|
11
|
Черкашин Сергей
|
Russia
|
12
|
Lehmann Gerold
|
Austria
|
13
|
Болдырев Алексей
|
Russia
|
14
|
Мосунов Владимир
|
Russia
|
15
|
Cohen Abraham
|
United Kingdom
|
16
|
Tinebor Manfred
|
Germany
|
17
|
Buschardt Jan
|
Denmark
|
18
|
Малаховский Вадим
|
Russia
|
19
|
Березёнков Игорь
|
Russia
|
20
|
Новиков Валентин
|
Russia
|
21
|
Викулов Антон
|
Russia
|
22
|
Соловьев Александр
|
Russia
|
23
|
Галибин Дмитрий
|
Russia
|
24
|
Басалаев Владимир
|
Russia
|
25
|
Завьялов Игорь
|
Russia
|
26
|
Либуркин Дмитрий
|
Russia
|
27
|
Махлай Сергей
|
Russia
|
28
|
Frank Herbrig
|
Germany
|
29
|
Tanghe Antoon
|
Belgium
|
30
|
Сеитов Павел
|
Russia
|
31
|
Нейман Андрей
|
Russia
|
32
|
Синицкий Димитрий
|
Russia
|
33
|
Sperling Peter
|
Austria
|
| |